Haushaltsrede der SPD Backnang für 2023

Veröffentlicht am 14.12.2022 in Kommunalpolitik
Heinz Franke

Sehr geehrte Herren Oberbürgermeister und Erster Bürgermeister, liebe
Gemeinderatskolleginnen und –kollegen, sehr geehrte Damen und Herren


Unsere Verwaltung hat dem Gemeinderat mit der mittelfristigen Finanzplanung
eine to-do-Liste präsentiert, die es in sich hat. Wir starten einen
städtebaulichen Entwicklungsboom, der Backnang nachhaltig verändern wird –
in einer Zeit, die unserer Gesellschaft einiges abverlangt. Ein Krieg, geografisch
weit weg, aber in seiner Konsequenz mitten unter uns, die Energiekrise und der
Inflationsschock, die viele Menschen in existenzielle Nöte bringen und das eben
immer noch nicht besiegte Virus sind sehr präsent. Und ein sehr reales
Gespenst, das uns nicht mehr viel Zeit läßt – auch wenn über die notwendigen
Handlungsschritte ausgiebig gestritten wird – ist der Klimawandel. Umso mehr
müssen wir verstärkt die eigenen Möglichkeiten nutzen, vor Ort etwas zu tun.
Innovative Mobilitätsstrukturen bleiben ein zentrales Anliegen, ebenso der
beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien - gerade auch bei den
städtischen Immobilien, oder vielleicht sogar die Förderung energiesparender
und klimaschonender Maßnahmen durch die Bürgerschaft. Mehr Grün im
Stadtgebiet, die Aufwertung der Murr als langgezogene
‚Entschleunigungszone‘, eine verbesserte Verkehrslenkung, kleine
Kommunikationsbereiche etc. sind ohne riesige Investitionen möglich. Eine
lebendige, aufenthaltsfreundliche, einladende, kommunikative und bunte
Innenstadt braucht neben Verwaltung und Gemeinderat genauso Handel,
Gewerbe und Gastronomie und natürlich unsere gesamte Bürgerschaft.

 

Die Bebauung der Oberen Walke und das riesige IBA-Gelände werden Backnang
ein neues Gesicht geben. Es geht aber beileibe nicht nur um weiteren
Wohnraum für mehrere tausend Menschen, sondern ganz zentral um die damit
verbundene gesamtstädtische Infrastruktur. Mobilität ist und bleibt ein ganz
zentraler Lebensqualitätsfaktor. Und dazu gehört neben dem weiteren Ausbau
attraktiver Bus- u. Bahnangebote nach wie vor der Individualverkehr (die
Radmobilität eingeschlossen). Deshalb brauchen wir jetzt auch das lange
angekündigte Verkehrskonzept, das ein gutes Miteinander ermöglicht. Dazu
könnte beispielsweise auch die Stuttgarter Straße zwischen dem KAWAG

Kreisel und der Chelmsfordbrücke beitragen. Sie ist zu schmal für
nebeneinander fahrende PKW (und erst recht LKW), gefährlich für Radfahrer
und riskant für links und rechts Parkende. Also, doch einbahnig mit Radweg
und breiteren Parkstreifen?!. Und wenn es um Verkehrssicherheit geht,
sinnvollen Verkehrsfluß und CO2-Reduzierung, warum dann kein beampelter
Überweg am Bahnhof anstelle des stark frequentierten Zebrastreifens?
Der Verkehr und die Mobilität sind aber nur das eine - ein Einwohnerboom
fordert zusätzliche Kinder- und Jugendbetreuungs –, Bildungs- und schulische
Angebote. Wir kommen schon jetzt kaum hinterher, zumal uns ja politische
Verordnungen aus Brüssel, Berlin und Stuttgart immer wieder vor zusätzliche
Herausforderungen stellen, oft ohne sinnvolle Lösungen anzubieten. Und
unsere Gesellschaft altert. Eine menschenwürdige Versorgung betreuungs- und
pflegebedürftiger Seniorinnen und Senioren – ambulant wie stationär - wird
eine immer größere Zukunftsherausforderung. Die Stadt darf hier nicht nur
Zuschauer sein, sie muß zum Akteur werden. Gleiches gilt im Besonderen
ebenso für die ambulante Gesundheitsversorgung. Auch hier ist eine
dramatische Entwicklung im Gange – alltäglich hör- und erlebbar. Eine
Hausarztsuche wird zum Abenteuer mit offenem Ausgang. Praxen werden
geschlossen, der Nachwuchs fehlt und die weniger werdenden Hausärzte sind
am Limit. Auch ohne rechtliche Verantwortung für dieses Dilemma ist die Stadt
gefragt. Medizinische Versorgungszentren könnten vielleicht im Rahmen eines
Genossenschaftsmodells eine Möglichkeit sein. Ebenso wäre es zumindest eine
Prüfung wert, ob sich unsere Städtische Wohnbau oder die Kreisbau bei der
Realisierung eines MVZ- Projekts engagieren könnten. Im Übrigen stehen wir
hinter dem Antrag der SPD-Kreistagsfraktion bzgl. der flächendeckenden
Versorgung mit Hausärzten. Und auch die realen Ungleichheiten bei der
Facharztversorgung im Landkreis sind ein ständiges Ärgernis. Wir können uns
doch nicht damit zufriedengeben, daß z.B Eltern mit kranken Kindern durch den
ganzen Landkreis fahren müssen, weil die Kinder-u. Jugendärztinnen – und
ärzte vor Ort völlig überlastet und andere Kreisteile bestens versorgt sind. Und
kann es sein, daß stationäre Pflege nicht mehr gesichert ist, weil Pflegeheime
keinerlei Kapazität mehr besitzen und es an qualifiziertem Personal fehlt? Nein
– und deshalb müssen wir uns selbst auf den Weg machen. Auf Lösungen der
großen Politik zu warten, hieße vermutlich Wurzeln zu schlagen.
Die Winnender Kreisklinik ist nach allen vergangen Kämpfen zwischenzeitlich
auch bei uns in Backnang weitgehend angekommen und angenommen, die
hohe Fachlichkeit anerkannt. Mit schöner Regelmäßigkeit wird darüber

diskutiert, ob sie schwarze Zahlen schreiben muß. Wir meinen nein. Sie ist eine
zentrale Einrichtung der Daseinsvorsorge und braucht keine Gewinne
erwirtschaften –auch wenn dies Konsequenzen für die Kreisumlage hat. Beim
ÖPNV, der Kultur oder Jugendhilfeangeboten kommt ja auch niemand auf eine
solche Idee. Wir sehen den Landkreis nach wie vor als wichtigen Partner in der
Sicherung einer guten und zukunftsfähigen Lebensqualität unserer Bürgerinnen
und Bürger.


Ein anderes, aber genauso wenig zu vernachlässigendes Thema ist die weitere
Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Einen guten Anfang haben wir gemacht,
aber es reicht längst nicht. Die Zinsen steigen in atemberaubenden Tempo; was
noch vor wenigen Monaten erreichbar erschien, ist heute für Viele schlicht
unmöglich. Und die Energiekrise sorgt dafür, daß immer mehr Familien an ihre
Grenzen kommen, wenn es um Mieten samt Mietnebenkosten geht. Deshalb:
Verstärken wir unsere Bemühungen, weiteren preisgebundenen Wohnraum zu
schaffen. Unsere Städt. Wohnbau muß - eine alte Forderung von uns – noch
viel mehr mit ins Boot genommen werden als bisher. Auch das gehört zur
Daseinsvorsorge.
Mit unseren vielfältigen schulischen Angeboten sind wir in einer
herausgehobenen Standortposition. Kaum eine andere Kommune – auch über
die Kreisgrenzen hinweg – kann eine solche Bildungsvielfalt vorweisen. Aber
das kostet halt auch etwas. Und die durchaus aufwendige Digitalisierung ist
kein nice-to-have, sondern ein must have. Gut, daß die Verwaltung mit dem
Ausbau ihrer IUK-Stelle zum digitalen Kompetenzzentrum ernst gemacht hat,
was ja auch dem gesamten Rathaus und letztendlich der ganzen Bürgerschaft
zugutekommt, wiewohl der persönliche Kontakt nach wie vor, dort wo
notwendig und gewünscht, auch weiterhin gesichert bleiben muß.
Mit der Eröffnung der Sportkita haben wir einen weiteren wichtigen Schritt im
großen Kinderbetreuungsangebot gemacht. Es reicht trotzdem noch nicht, auch
weil bundes- und landespolitische Entscheidungen ständig neue Bedarfe
generieren, ohne sich Gedanken um die Realisierbarkeit zu machen. Ein
weiterer Kraftakt wird die Ganztagesgrundschulbetreuung sein und eine neue
Herausforderung für die Kommunen. Und wir wollen zeitnah die aus unserer
Sicht ungerechten Strukturen bei den Kita-Elternbeiträgen modifiziert wissen.
Zufrieden sind wir dagegen, daß die Zuschüsse für die Jugendarbeit der
Sportvereine erhöht wurden und die Kulturvereine nun endlich auch
profitieren. Überhaupt, Vereinsförderung – finanziell, ideell und logistisch – ist

und bleibt eine wichtige kommunale Aufgabe. Ohne dieses vielfältige Angebot
würde unser öffentliches Leben ziemlich armselig aussehen.
Eine Haushaltsrede ohne Karl-Euerle-Halle gab es in den letzten Jahren wohl
bei keiner Fraktion. Wir stehen – trotz der natürlich ärgerlichen
Kostensteigerungen (für die unsere Verwaltung aber nichts kann) voll und ganz
dahinter. Sie wird künftig im neuen Glanz eine zentrale Stellschraube im Schulund Vereinssport sein. Jedenfalls ist das viele Geld bestens angelegt. Was
übrigens genauso gelten würde, wenn endlich konkrete Vorschläge für einen
sinnvollen Ersatz der gesperrten Murrbrücke auf der Bleichwiese und die
Attraktivierung des bislang wenig einladenden Treppenaufgangs zur Postgasse
kämen. Viele Backnangerinnen und Backnanger wären dafür dankbar.
Ganz oben auf der to-do-Liste bleibt auch die Stadtbrücke. So teuer sie ist, wir
brauchen sie schnell, um endlich die dringend notwendigen Personenaufzüge
im Bahnhofsgleisbereich realisieren zu können. Der aktuelle Zustand ist
beschämend; die kleinsten Bahnhöfe sind weiter als wir. Und das ganze
Bahnhofsareal wartet auf sein up-date.


Und, liebe Verwaltung, auch die Projekte voranbringen, die längst in der
Pipeline sind. So z.B. das Innenstadtkonzept. Arbeitskreise alleine reichen halt
nicht. Wir wünschen uns den inneren Stadtkern fußgängerorientiert mit guten
und ausreichenden Parkmöglichkeiten im Umfeld (die wir ja schon weitgehend
haben) und attraktive ÖPNV-Anschlüsse. Ein hohes Maß an Aufenthaltsqualität,
einladend und bleibefördernd, kommt Allen zugute.
Auch der Dauerbrenner B 14 bleibt uns im neuen Jahr erhalten. Manchmal
muß man sich wirklich fragen, ob nochmals so entschieden würde, könnte man
das Rad Jahre zurückdrehen. Der notwendige Spritnasenanschluß aus dem
Weissacher Tal mit Entlastung von Heiningen und Waldrems ist für uns
unverhandelbar, ebenso eine gute Lösung für die Landwirtschaft links und
rechts des Murrtalviadukts. Auf einem guten Weg sind wir aber bei der
Anbindung unserer Stadtteile an das Stadtgebiet. Der ÖPNV wurde optimiert
und auch bei der Radinfrastruktur geht es vorwärts - und der laut geäußerte
Wunsch nach einem generellen Tempo 30 in den stark belasteten
Ortsdurchfahrten der Stadteile und Teilorte wird hoffentlich erhört.
Eine Haushaltsrede ohne den Blick auf die städtischen Finanzen wäre
unvollständig. Wir können durchaus zufrieden sein. Eine vergleichsweise sehr
niedrige Pro-Kopf-Verschuldung läßt uns einen ordentlichen finanziellen
Spielraum, das Gewerbesteueraufkommen ist erfreulich – eben auch ein
Zeichen für eine florierende Wirtschaft zumindest bei uns, keine Bestrebungen

seitens der Verwaltung, Grund- und Gewerbesteuer zu erhöhen, eine
ungebrochene Nachfrage nach Gewerbeflächen - und das alles trotz manch
politischer Unsicherheiten. Und die maßvolle Erhöhung der Kreisumlage, wenn
auch potenziert durch unsere hohe Steuerkraft in 2021, ist verkraftbar. Hoffen
wir nun, daß uns die galoppierende Inflation und die Energiekrise nicht
ausbremsen.


Dankbar sind wir für die vielen Menschen, die dafür sorgen, daß unsere Stadt
lebendig und einladend ist und bleibt. Ohne die Vielen, die sich gesellschaftlich,
sozial, kulturell, künstlerisch, sportlich und kirchlich engagieren würde nichts
gehen, ohne die Vielen, die sich ganz selbstverständlich für unser Gemeinwohl
einsetzen, wären wir arm dran. Wir wollen dies immer wieder anerkannt,
wertgeschätzt und gewürdigt wissen. Dazu gehören verbindlich unsere
öffentlichen Ehrungen, die deutlich machen, wie unverzichtbar das
gemeinsame Wir ist.


Einschließen in unseren Dank möchten wir auch die Verwaltungsspitze und das
gesamte Rathausteam; ebenso die Presse als journalistisches Bindeglied. Und
nicht zuletzt danken wir dem Gemeinderatskollegium für den meist
konsensualen gemeinsamen Weg – trotz oder gerade wegen aller
Unterschiedlichkeiten. Wir freuen uns auf ein konstruktives und innovatives
und hoffentlich friedliches 2023. Vielen Dank für Ihr geduldiges Zuhören.

Heinz Franke

Die Haushaltsanträge finden Sie HIER zum Download.
 

 
 

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