Ursula Kamps wird Schorndorfer Ehrenbürgerin - Laudatio

Veröffentlicht am 22.06.2023 in Aktuelles

Liebe Ursel, lieber Hermann, liebe Familie, Herr Oberbürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Das Wirken von Ursel Kamps ist ohne die Prägung durch die Familie nicht zu verstehen.
Der verstorbene Bruder Berthold, SPD Landtagsabgeordneter und Vizepräsident des Bayer. Landtags, hat dies im Buch „Der Befreiungsminister“ eindrucksvoll beschrieben.
Ursels Vater Gottlob Kamm kam 1897 zur Welt. Die Kindheit war geprägt von großer Armut. Die Mutter war eine sehr belesene Frau. Die Ideale der Arbeiterbewegung hat sie der Familie nahegebracht.
Wie die große Mehrheit seiner Generation meldete er sich im August 1916 zum Kriegsdienst. Im Juli 1917 kehrte er schwer Verwundet zurück. Er wurde zum entschiedenen Kriegsgegner.
Im August 1925 heiratet er Rosa Kamm. Das politische Engagement verband das Ehepaar. Durch sein eigenes Schicksal geprägt war er entschiedener Kriegsgegner uns schloss sich der USPD an. Gottlob Kamm gehörte zu den Delegierten des Parteitags 1922 bei dem sich die USPD wieder mit der SPD zusammenschloss. Für das Ehepaar Kamm war die Einheit der Partei ein zentrales Anliegen.
Eine weitere wichtige Erfahrung der Familie Kamm war der schrittweise Untergang der Weimarer Republik. Sie ist nicht zuletzt an der Unfähigkeit der Demokratischen Parteien zur Zusammenarbeit gescheitert. Dies darf sich nicht wiederholen. Eine klare Abgrenzung ist auch im heutigen Gemeinderat notwendig.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam Gottlob Kamm von Februar – Mai 1934 in die sogenannte Schutzhaft in Ulm. Nach seiner Entlassung war er und seine Familie weiteren existentiellen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Mitten im Krieg 1942 km Ursel zur Welt. Sie hatte 3 Geschwister.

Nach dem Krieg waren Gottlob und Rosa sofort am Wiederaufbau der Demokratie beteiligt. Beide waren in der verfassungsgebenden Versammlung für Württemberg. Gottlob wurde erst Staatssekretär für politische Befreiung und in diesem Amt Staatsminister. Ohne Zweifel das schwierigste Amt mit heftigen Auseinandersetzungen bis in die eigene Partei. Er erhielt Morddrohungen. Die Familie hat diese Auseinandersetzungen mit durchlitten.
Auch im kommunalen Bereich übernahm er Verantwortung. Er war der erste Bürgermeister Schorndorfs nach dem Krieg, Gemeinderat und Kreisrat.
1967 ehrte Ihn die Stadt mit der Ehrenbürgerwürde.
Ursel Kamps wurde durch die Familie geprägt. Sie selbst formuliert es so: Ich habe drei Leben gehabt, Familie, Politik, Schule. Ich habe unwahrscheinliches Glück gehabt mit meinen Eltern. Meine Mutter war mein großes Vorbild.
Geprägt von dieser Familie hat Ursel ein sehr eigenständiges politisches Profil entwickelt.

Ihren Stil in der Politik hat sie bei ihrer Verpflichtung als Mitglied des Gemeinderats zum Ausdruck gebracht.
Zitat aus dem Protokoll:
„Stadträtin Frank gab der Hoffnung Ausdruck, der neue Gemeinderat möge gut zusammenarbeiten. Sie von Ihrer Seite sei zu dieser Zusammenarbeit bereit und hoffe dasselbe auch von den übrigen Mitgliedern. Wenn die jüngeren Mitglieder beabsichtigen, ein zu forsches Tempo einzuschlagen, so sollten die älteren Mitglieder sie bremsen, andererseits aber das Tempo der jungen Mitglieder mithalten, wenn dies erforderlich ist.“
Sie hatte jeweils eine klare Position, ging aber nicht mit dem Kopf durch die Wand. Sie hat die Position anderer akzeptiert und auf einen Kompromiss hingearbeitet. Diese Haltung spiegelt die Notwendigkeit in der Demokratie wider. Eine solche Haltung wäre heute manchem Gemeinderat zu wünschen.
Ursel Kamps war 44 Jahre Lehrerin. Beauftragte des Oberschulamtes für die Kooperation Kindergarten und Schule. In Schorndorf war sie maßgeblich beteiligt an der Einführung der Vorschule im letzten Kindergartenjahr. Im Gemeinderat hat sie diesen Bildungsansatz nachdrücklich unterstützt. Ihr ging es nicht so sehr um die Frage Übergang ins Gymnasium, sondern durch fundierte Grundlagen den Kindern gute Startchancen zu ermöglichen. Folgerichtig hat sie alle Bemühungen von Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund unterstützt.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat sie früh im Gemeinderat vorangetrieben. Dabei hat sie immer betont, dass auf die Erziehungsfähigkeit in der Familie nicht zu verzichten ist. Die Rolle des Mannes in der Familie muss sich ändern. Er muss Verantwortung übernehmen. Diese Diskussion ist gerade heute dringend. Die ganztägige Betreuung ersetzt nicht die Erziehung in der Familie.
Die Gleichstellung der Frau war Ihr ein zentrales Anliegen im Gemeinderat. Die Gemeinderatsprotokolle weisen aus, welcher Kampf notwendig war, um beispielsweise eine Stelle für eine Frauenbeauftragte einzurichten. Das gleiche gilt für das Familienzentrum - heute selbstverständlicher Bestandteil der sozialen Infrastruktur.
Partnerschaft war Ihr besonders wichtig. Den Bürger ernst nehmen. Auch und gerade bei jungen Menschen. Dies hat sie nachdrücklich beim Jugendzentrum Hammerschlag unter Beweis gestellt.
Die Gemeinderatsprotokolle weisen aus, dass ihr die Gestaltung der Innenstadt ein besonderes Anliegen war. Schon zu Beginn Ihrer Gemeinderatsarbeit wurden harte Auseinandersetzungen geführt. Die Parkplatznot wurde beschworen, riesige neue Parkflächen wurden gefordert. Der Untergang des Mittelstands wurde beschworen. Nichts davon ist eingetreten. Auch heute geht es um die gleichen Fragen. Ursel Kamps hat schon damals Weichenstellungen bewirkt. Wo würden wir heute stehen ohne Fußgängerzone. Ein Blick auf die damalige Diskussion wäre sicher hilfreich. Ursula Kamps würde sagen: Hört endlich auf abstrakt zu diskutieren. Diskutiert vom Menschen her. Er will verweilen. Es geht um die Aufenthaltsqualität in der Stadt.
Von 2004 bis 2014 war Ursel Kamps auch Mitglied des Kreistags.
 
Vor dem Hintergrund Ihrer Familiengeschichte war es ein besonderes Anliegen Not zu vermeiden. Wo immer möglich sozial zu helfen. Das soziale Engagement von Ursel Kamps war vielfältig und nachhaltig. Sie war 15 Jahre Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Schorndorf. Kampf um die Tafel. Die Karl Wahl Begegnungsstätte. Das Frauen Sprachkaffee. Der offene Mittagstisch. Die Stadtranderholung. All dies wurde in dieser Zeit auf den Weg gebracht. In Ihrem sozialen Engagement zeigt sich ein weiterer Grundzug Ihrer Arbeit. Es geht nicht um das proklamieren von Grundsätzen. Es geht um ganz konkrete Umsetzung. Hier muss man Mehrheiten und Unterstützer finden. Kompromisse sind notwendig.
Ein weiterer Bereich Ihrer Arbeit war im Sport. Selbst sportlich geprägt (Württembergische-Auswahl im Handball, Turnerin und Tennisspielerin), hat sie die soziale Bindewirkung des Sports erkannt. Ehrenamtliche Mitarbeit im Verein war für Sie selbstverständlich. Abteilungsleiterin, Mitglied im Vorstand, Verantwortliche für Großveranstaltungen. Ohne Ihre gestalterische Mitwirkung hätten wir heute keinen so gut funktionierenden Großverein in Schorndorf.
1998 bei der OB Wahl in Schorndorf zeichnete keine Alternative zu amtierenden OB ab. Mit dem Slogan „Eine für uns“ stieg sie sehr spät in den Wahlkampf ein. Mit 44,9 %, gegen einen Amtsinhaber, hat sie ein sehr gutes Ergebnis erzielt.
Dieses Engagement wäre nicht möglich gewesen, hätte Sie nicht die Unterstützung Ihrer Familie gehabt. Ihr Ehemann Herrmann war eine wichtige Stütze, aber nicht nur im Sinn, er hat mir den Rücken freigehalten, sondern er hat mitgewirkt, war Korrektiv und Ermutiger. Dafür herzlichen Dank.
Am Ende will ich noch auf eine besondere Eigenschaft eingehen. Sie ist nicht nur eine großartige Frau, eine gute Freundin. Sie ist eine Frau die viele ermutigt hat mit zu gestalten, ja zu kämpfen. Bei der Verleihung der Ehrenurkunde für 60 Jahre Mitgliedschaft in der SPD hat Sabine Reichle berichtet: Vor einer schwierigen Sitzung bin ich mit Ursel Kamps in den Sitzungssaal gegangen und Sie hat mir zugeflüstert „Lass Dich von denne Kerle nicht unterkriegen“.
Ursel wir danken Dir für dein Engagement. Wir danken Dir für dein Wirken für die Stadt und seine Bürgerinnen und Bürger. Wir danken Dir für dein Engagement in der SPD.
Wir gratulieren Dir zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt – als erste Frau.

Laudatio von Rainer Brechtken (Staatssekretär a.D.) - Es gilt das gesprochene Wort.

 
 

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