Stellvertreterstreit Stuttgart 21 – brauchen wir jetzt mehr Demokratie?

Veröffentlicht am 20.10.2010 in Allgemein
Bahn

Begrüßungsrede von Tobias Weitmann, SPD-Kandidat zur Landtagswahl 2011 im Wahlkreis Schorndorf, anlässlich der Veranstaltung zu Stuttgart 21 mit Frieder Birzele am 18.10.2010 in der Schorndorfer Barbara-Künkelin Halle.

S21 spaltet die Gesellschaft

Stuttgart 21 spaltet unser Land. Inzwischen hat die Diskussion über das Großprojekt wohl auch den letzten Küchentisch erreicht, und auf der Straße hört man das S mit den zwei Zahlen an jeder Ecke. Bis vor kurzem kaum für möglich gehaltene Szenen spielen sich in der Landeshauptstadt ab. Hunderttausende von Menschen aus allen Schichten und Bereichen beteiligten sich an Demonstrationen gegen das Großprojekt.

Aber auch die Fürsprecher sind zahlreich und erreichen – fragt man landesweit nach – ungefähr die gleiche zahlenmäßige Stärke. Ein Bahnhof scheint das Ländle zu entzweien. Der Riss geht dabei auch quer durch Regionen, Parteien und Familien.

Stuttgart 21 ist kein undemokratisch herbeigeführtes Projekt. Es nahm während seines jahrelangen Planungsprozesses sämtliche parlamentarischen und juristischen Hürden und hat damit die volle demokratische Legitimation.

Dennoch mangelt es dem Projekt inzwischen bei einem zu großen Teil der Bevölkerung an der notwendigen Akzeptanz. Der Konflikt um S21 hat an Ausmaß und Schärfe immer noch zugenommen, und er hat mit den unfassbaren Bildern der Gewalt am 30. September einen schockierenden und traurigen Höhepunkt gefunden.

Es ist völlig gleichgültig, auf welcher Seite man steht: kein Bauvorhaben, kein Infrastrukturprojekt rechtfertigt es, dass eine Gesellschaft ihren inneren Zusammenhalt verliert. Deshalb meine ich, es gibt in dieser heutigen Situation nur einen gangbaren Weg, Menschen ernst zu nehmen und den Konflikt gütlich beizulegen: den Weg einer fairen, landesweiten Volksabstimmung. Selbstverständlich gehört dazu ein umfassender Bau- und Vergabestopp bis zur Entscheidung. Alles andere ist Blendwerk und nimmt die Position der Gegner des Projektes nicht ernst.

Die CDU berief in Heiner Geißler einen Schlichter, um Gespräche zu führen, in denen alle Fakten auf den Tisch kommen. Fakten, die allen Bürgern öffentlich zugänglich gemacht werden sollen. Das ist zu begrüßen.

Warum dann aber die Bürger am Ende nicht auch entscheiden lassen? Die hartnäckige Ablehnung einer Volksabstimmung ist völlig unverständlich. Es muss in der CDU schon ein sehr großes Misstrauen gegenüber den eigenen Mitbürgern geben, dass man ihnen nicht zutraut, eine gute Entscheidung zu fällen.

Nein, alle Fakten müssen in voller Transparenz und Klarheit auf den Tisch, alle Argumente dafür und dagegen, und es müssen sämtliche Kosten – soweit möglich - offengelegt werden. Hier ist nicht zuletzt auch die Deutsche Bahn in der Pflicht.

Dann können wir Bürgerinnen und Bürger in einer Volksabstimmung eine Entscheidung treffen, die unabhängig vom Ausgang von allen akzeptiert werden kann und muss. So sieht ein vernünftiger Weg der Versöhnung aus, und den hat die SPD auf ihrem Landesparteitag auch nochmals bekräftigt.

Stellvertreterstreit Stuttgart 21

Es geht bei dem Konflikt um Stuttgart 21 längst nicht nur um die Ausgestaltung eines Infrastrukturprojektes. Die Heftigkeit, mit der viele Mitbürgerinnen und Mitbürger gegen die Entscheidungen der Landesregierung aufbegehren zeigt: ihr Vertrauen in die Politik ist gestört. Egal bei welchem Thema, sei es Bildung, Verkehr, Wirtschaft, innere Sicherheit oder Energie, die Menschen haben das Gefühl, dass zu oft über ihren Kopf hinweg entschieden wird.

Dass dagegen nun viele aufbegehren ist nicht erschreckend, sondern folgerichtig und gut. Es zeigt, dass viele Menschen sehr wohl aktiv an der politischen Gestaltung des Landes mitarbeiten wollen. Die vielzitierte Politikverdrossenheit ist eher eine Politiker- und Parteienverdrossenheit. Alle paar Jahre ein Kreuzchen zu machen, und ansonsten die Klappe zu halten und die Regierenden entscheiden zu lassen – das ist den Leuten zu wenig.

Sie wollen mehr echten Dialog mit den Parlamentsvertretern, mehr direkte Mitsprache bei strittigen Themen - mehr direkte Demokratie. Diese Forderung zieht sich durch alle politische Lager, und durch alle gesellschaftlichen Schichten. Sie ist Ausdruck des Wunsches nach einer lebendigeren Demokratie unter selbstbestimmten und selbstbewussten Bürgern.

Und das ist gut! Die Politik muss hier aufwachen. Wir brauchen eine neue politische Kultur in unserem Land. Wir brauchen einen neuen Politikstil. Einen Stil von mehr Zuhören und weniger Basta. Eine Politik, die Bürgerinnen und Bürger umfassend in Entscheidungen einbezieht und sie in wichtigen Fragen selbst entscheiden lässt.

Dazu gehört auch, dass die Menschen schon in den entscheidenden Phasen während der Planung von Großprojekten beteiligt sind. Ein Mittel dazu wäre, die bürokratischen Hürden für Volksbegehren und Volksabstimmungen zu senken.

Mehr direkte Demokratie – was sich schön anhört, will in der Praxis wohlüberlegt und gut gemacht sein. Denn wie steht es mit der Überschaubarkeit und dem Verständnis der Informationen bei komplexen Projekten? Kann das der Laie überhaupt überblicken? Siegen bei zu viel direkter Demokratie nicht oft die Einzelinteressen einer lauten und engagierten Minderheit? Wie kann verhindert werden, dass extremes Gedankengut die politische Bühne über den Hintereingang „Volksabstimmung“ betritt? Diese und andere Bedenken müssen einbezogen werden in die Fortentwicklung unserer demokratischen Kultur.

Jedoch: die heutigen Regelungen ersticken jedes Engagement und jede Lust auf politisches Mitgestalten. Deshalb trete ich mit der SPD dafür ein, dass Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksabstimmungen in Zukunft ganz selbstverständlich zur demokratischen Kultur in Baden-Württemberg gehören.

 
 

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